Interview zum BELUCCI-Projekt


Leiter der Produktentwicklung

Unternehmen:
Acandis GmbH
Professor für numerische Mechanik

Organisation:
OVGU Magdeburg - Institut für Mechanik
Veröffentlichungsdatum:
21. Februar 2021

Das BELUCCI-Projekt des Vereinsmitglieds Acandis GmbH und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg beschäftigt sich mit der Individualisierung von Flow-Divertern.



Projekt
BELUCCI
Projektleiter
Andreas Ding
Projekstart:
2017
Abschluss:
August 2021
Mehr Informationen:
forschung-sachsen-anhalt.de

Worum geht es in dem Projekt?

Das BELLUCI-Projekt, das 2017 zunächst von der Acandis GmbH und dem UKE Hamburg initiiert wurde und seit 2018 von BMBF gefördert wird, untersucht Potenziale in der Patientenindividualisierung von Flow-Divertern.

Diese neurovaskulären Implantate werden für die Behandlung von Aneurysmen verwendet und werden nun seit einigen Jahren eingesetzt. Jedoch gibt es gelegentlich noch kleinere Probleme, da die Implantate in komplexen Gefäßgeometrien platziert werden müssen. Das Ziel des Projekts ist es, diese Probleme durch Individualisierung zu minimieren und die Performance der Implantate zu verbessern.


Wer ist an dem Projekt beteiligt?

Neben dem STIMULATE Vereinsmitglied Acandis GmbH sind außerdem das UKE Hamburg, die TU Hamburg und die OVGU Magdeburg mit am Kooperationsprojekt beteiligt.

Die Acandis GmbH ist eines der führenden Unternehmen für Medizintechnik im Bereich der neurovaskulären Schlaganfalltherapie und -vorsorge, Kathetersysteme und Aneurysmabehandlung. Andreas Ding, der seit 2012 im Unternehmen als Entwicklungsingenieur und später als Leiter der Produktentwicklung tätig ist, hat uns freundlicherweise Einblicke in das BELUCCI-Projekt gegeben.

Von Seiten der OVGU hat Prof. Dr.-Ing. Daniel Juhre unsere Fragen beantwortet. Der Professor für numerische Mechanik ist mit seinem Team seit 2018 am Projekt beteiligt und beschäftigt sich mit der Simulation von komplexen Materialien und Struktureigenschaften.


Wie sieht der Projektablauf aus?

Zunächst liegen die anatomischen Merkmale der Patienten im Fokus. Diese müssen identifiziert und analysiert werden, so dass im nachfolgenden Schritt einheitliche Methoden für die Analyse entwickelt werden können.

Nachfolgend werden die technischen Parameter der Implantate identifiziert, die durch eine Individualisierung beeinflusst werden können und sich an die vorher analysierten Patientenmerkmale anpassen können.

Am Ende werden mehrere Konzepte mit unterschiedlichen Individualisierungsgraden aufgestellt sowie evaluiert um die Ergebnisse der Kooperation in naher Zukunft in weitere Projekte einzubinden. Der Projektabschluss wird voraussichtlich Ende August diesen Jahres erreicht, wobei das Team der OVGU bereits Ende Februar seinen Teil des Projekts abgeschlossen hat.


Welche Einsichten zeichnen sich jetzt schon ab?

Aus Sicht von Andreas Ding sind die Vorteile von einfachen Individualisierungsmöglichkeiten schon deutlich zu erkennen. Eine kommerzielle Umsetzung ist nach Projektabschluss umsetzbar und könnte als Basis für weitere Forschung an tiefgreifenderen Individualisierungsgraden dienen. Eine Zulassung könnte über den Vergleich artverwandter Produkte beschleunigt werden, sodass bereits in naher Zukunft klinische Studien möglich wären.

Für Prof. Juhre bieten die Forschungsergebnisse großes Potential für ein virtuelles Assistenzsystem, welches das Klinikpersonal durch individualisierte Simulationen bei Operationen unterstützen kann sowie das Einführen des Flow-Diverters einfacher und sicherer macht.


Wie kam es zu der Kooperation?

Die Acandis GmbH hat im Vorfeld mehrmals mit dem UKE Hamburg kooperiert. Dieses nutzt seit einiger Zeit die Produkte des Medizintechnikunternehmens und hat den Impuls für das Projekt gegeben. Durch das große klinische Fachwissen, die vorhanden Erfahrung mit Acandis-Produkten und die exisitierenden Testmöglichkeiten ist das größte Universitätsklinikum essenziell für das Projekt.

Die TU Hamburg hat bereits in vorangegangenen Projekten mit dem UKE eng zusammengearbeitet. Das produktionstechnische Institut ergänzt mit seiner Expertise in der Individualisierung von Produktionsprozessen und einem Variantenmanagement den Anforderungskatalog des Projekts ideal.

Später wurde Prof. Juhre hinzugezogen, da sein Know-How in der virtuellen Nachbildung von Verformungsmechanismen und der Analyse von komplexen Geometrien die weitergehende Individualisierung der Flow-Diverter maßgeblich voranbringen konnte. Auch hier Bestand schon vorher Kontakt zur Acandis GmbH, welcher durch die Zusammenarbeit mit dem Forschungscampus STIMULATE gefestigt wurde.


Worin liegen die Vorteile der Kooperation?

Für Acandis bietet die Kooperation eine Vielfalt an Daten, welche nicht öffentlich zugänglich und essentiell für das Projekt sind. Zudem erlaubt das Kooperieren einen Austausch an Wissen und Ressourcen, welche nur mit viel Aufwand durch die Implementierung eigener Strukturen erreicht werden könnte.

Für Prof. Juhre und sein Team ermöglicht erst der Zugang zur Expertise aus anderen Bereichen die Validierung der eigenen Simualtionsmethoden. Des Weiteren sind auch hier der Zugang zu einer Vielzahl an Patientengeometrien und die Einblicke in die Praxis von immensem Vorteil für die Forschung und Entwicklung.


Inwiefern hat COVID-19 das Projekt beeinflusst?

"Erstaunlicherweise hat es das Projekt nicht massiv beeinträchtigt.", berichtet Andreas Ding. Wichtige Testversuche wurden bereits vor der Pandemie abgeschlossen, so dass die Arbeitspakete für die Kooperationspartner bereits fertiggestellt waren, womit trotz der Einschränkungen isoliert voneinander gearbeitet werden konnte. Die Kommunikation lief gut, auch wenn beide Interviewpartner betonten, dass der persönliche Austausch auf vorherigen Treffen angenehmer und einfacher war.

Beide Partner haben bereits Ambitionen, basierend auf der jetzigen Zusammenarbeit auch in Zukunft zu kollaborieren und weitere Projekte anzuregen.

Der STIMULATE Verein bedankt sich bei Prof. Juhre und Andreas Ding für das aufschlussreiche Interview.